09.03.2016

ELDORADO Reiseblog#22 / Coqui

27.02.2016 / Coqui

Coqui ist ein Dorf mit 60 Familien, ruhig und gelassen, Cruz' größter Traum überrascht uns etwas. Doch am nächsten Tag kann ich sie verstehen - von Donnerstag bis Freitag läuft unglaublich laut Musik, Leute sitzen bei Bier und Aguardiente um eine völlig übersteuerte Lautsprecherbox herum - langes Wochenende, jeder Woche - Musik Tag und Nacht. Da kann sich niemand entziehen, die Musik ist in allen Küchen und Häusern, das Stromaggregat gibt alles ... Ich verstehe Cruz und ihren Wunsch, abseits des Dorfes zu leben und stelle mir vor, wie sie allein dort draussen in ihrer Cabanja wohnt, mit ihren Tieren spricht und aufs Meer rausschaut.
Als sie uns von ihrem Traum berichtet, bemerkt Dirk, wie Jesenja, die jüngere Gehilfin von Cruz, in der Küchenluke lehnt und ihren eigenen Träumen nachhängt - ja, sie hat auch einen großen Traum: sie möchte ihre Ausbildung als Security-Frau machen. Doch dafür bräuchte sie Geld, sie braucht einen Job, am besten in Bogotá und sie fragt uns, ob wir ihr nicht helfen können. Es wäre schön, wenn ich da was wüßte, verspreche ihr auch bei unseren Bekannten in Bogotá zu fragen - aber alle wollen in die Stadt ungelernte Arbeitskräfte gibt es zahllos ... Auch in Deutschland würde sie arbeiten und gerne unsere Sprache sprechen ... ja, wo ist es also, das Paradies - wo ist Eldorado?



Wir ernten unsere erste Kokosnuss. Wie die ersten Menschen stehen wir vor der Palme, oben die Nüsse und hier unten wir - wie kommen wir zusammen? Die Leute hier haben mit der Machete Kerben in die Stämme geschlagen, an denen geübte Kletterer bis zur Krone steigen ... vier Meter - weiter komme ich nicht ... aber bis zu den Nüssen ist es nochmal so weit. Dann versuchen wir es mit Wurftechniken - schließlich mit langen Stangen ... Als wir endlich Frucht haben, kommen wir ihr mit einer Axt und Messern - uns fehlt die praktische Machete. Als wir schließlich das Kokoswasser trinken und das Fleisch herausschneiden, ist es wie eine Neuentdeckung und sehr köstlich. (Ich muss unweigerlich an den Roman "Imperium" von Christian Kracht denken, dem irgendwelche Idioten Verherrlichung und Nostalgie in Sachen Kolonialgeschichte unterstellt haben.

Cucarachas, Ameisen, Fledermäuse, Salamander, Geckos, Spinnen und jetzt eine beachtliche Boa ... wir teilen unsere "Zimmer" mit einigen Mitbewohnern, die uns Respekt abverlangen ... und die Floskel vom einträchtigen Zusammenleben von Mensch und Tier bekommt eine ganz neue Dimension. Die Schlange im Dach über unseren Köpfen beunruhigt uns jedenfalls noch sehr lange. Dennoch habe ich so angenehm geschlafen wie lange nicht.


Das Niedrigwasser hat den Strand kilometerweit freigelegt, die Flussmündung von Coqui ist gekappt, ein paar Reiher tümmeln sich in einer Pfütze um einen Fischkadaver herum., von weit her gehen zwei Frauen unter einem Sonnenschirm durchs endlose Marschland, in das die Wellen ihre Muster gezeichnet haben, ein paar Krebse irren wie Flipperkugeln rätselhaften Linien folgend von Loch zu Loch, die sie sich Sand gegraben haben.
Checa hat uns nach Jovi gebracht - und wenn immer wenn von Jovi die Rede war, tönte es wohlklingend: "El Rio ..." - auch der Jovi-Fluss führt derzeit wenig Wasser, Verano und El Ninjo haben das Wasser knapp gemacht, auch wenn hier von wirklicher Wasserknappheit nicht die Rede sein kann. - Doch die Menschen hier haben ihre Erfahrungen und sie wissen, was es braucht, damit die Diversität hier erhalten bleibt.
Als wir mit dem Einbaum flussaufwärts fahren, müssen wir öfter aussteigen und laufen. Die umstehenden Pichindé-Bäume lehnen sich zu einem Tunnel über den Fluss, um ihn zu kühlen und vor Verdunstung zu schützen... Die Einbäume und ihre Eleganz sind faszinierend, unglaublich dünnwändig sind sie gefertigt und bieten viel Platz.