14.02.2016

ELDORADO Reiseblog #12 / Mompox

01.02.2016 / Mompox

"Colours of Mompox" heißt mein heutiger Vormitag. Neben der beeindruckenden Substanz an Kolonialarchitektur hauen mich die Fassadenfarben der kleinen Häuser in den Durchgangs- und Nebenstrassen der Stadt um, kein Farbton und kein noch so schriller Kontrast wird ausgelassen. Schilder- und Schriftmaler haben Hochkonjunktur.
Die Hitze ist schweißtreibend, kalte Getränke wie Tamarinden-Limonade im Schatten eines Stassenverkaufs sind ein Segen. Dennoch wollen wir Gasse um Gasse weiter erkunden. Bananenstauden, Limetten- und Mangobäume vor Häusern und in Gärten. Verfall und Aufbau zahnen ineinander, als würde der Urwald hier Vorbild und Baumeister sein.
Einst war Mompox die bedeutendste Hafen- und Handelsstadt Kolumbiens, zudem die erste freie Stadt des Landes nach der spanischen Herrschaft. Bolivar verdankte den Momposinos anscheinend in seinem Unabhängigkeitskampf sehr viel - am Anleger der Stadt stehen chronologisch aufgelistet alle Ankunfts- und Abfahrtszeiten Bolivars in Mompox.

Wie entscheidet die Gruppe, wie es weitergeht, wenn es keinen Entscheider gibt und die Interessen verschieden oder unklar? Das bekommen wir täglich neu heraus und das zeitigt manchmal erstaunliche Überraschungen.


Wir suchen den Strand von Mompox, der uns empfohlen wurde, und finden ihn ... la playa, das klingt ja gerade im Spanischen nach Idylle, doch der Strand ist ein vermülltes Sandufer, auf dem die Jugend der Stadt ihren Spass hat, es läuft Musik, Kinder springen in den hüfttiefen Fluss - man kann ihn unbeschadet zu Fuss durchqueren. Das Wasser ist warm wie der Kaffee, den ich zuvor getrunken habe. Der Müll ringsherum ist Grund genug, den Ort wieder zu verlassen - auch sind weder Harken noch Mülltüten zur Hand, um den Kram zu beseitigen.
Später, im Haus diskutieren wir die Müllfrage noch sehr lange, die einem auf solchen Reisen besonders ins Auge fällt - wir reden über die Verantwortung des Einzelnen, die der Produzenten, die diese Länder mit diesem Scheiß zu schütten - wie hat es Ruanda z.B. geschafft, Plastiktüten so wirkungsvoll zu ächten? ....


Ein junger Mann am Strand reicht mir seine Hand und fragt mich, ob ich den Marihuana-Duft in der Luft rieche, er könnte mir welches verkaufen. Ich will keins, aber wir reden noch ein wenig über Mompox, er läßt nichts auf seine Stadt kommen - hier gibt es so viele Kinder. Und ganz übergangslos erzählt er mir, dass hier viele Kinder für den internationalen Organhandel entführt und missbraucht werden. - Viele Kinder stehen um uns herum ...
"El Hombre" nimmt Kontakt auf und es entsteht eine Szene und kleine Gespräche, schließlich eine kleine Aufführung am vermüllten Strand.


Wir werfen uns danach dann doch in den warmen Fluss, trotz des Mülls, schließlich sind es 40°C. Neben uns waschen Jungs ihre Motorräder im Fluss. Anscheinend ist gerade Badezeit, immer mehr Leute strömen zum Strand, viele baden mit all ihren Klamotten, manche sitzen mit Chipstüten im Fluss und lachen sich kaputt.
Wir trödeln zurück, Bananenstauden, Papaya-Bäume, ohne Ende Plastikmüll, der manchmal in kleinen Häufchen verbrannt wird, ein Schreiner, der auf dem Weg seine Bretter schleift, ein kleines Mädchen, das im Prinzessinnen-Kleid durch eine verkohlte Müllhalde zu ihrem Haus läuft, ein gefleckter Hund läuft uns nach, überhaupt: immer wieder Hunde, überall, Motorräder rasen an uns vorbei, ein Zirkuszelt wird aufgebaut.


Warum sind hier überall Schweizer Flaggen, flatternd im Wind, auf Häuserwände gemalt? Ein Polizist klärt mich auf, dass das die Stadtflagge von Mompox ist. Ob dabei irgendwelche Schweizer ihre Finger im Spiel hatten, bleibt zu erkunden. Unser Schweizer Freund Hervé, den wir heute auf der Strasse zeichnet wiedertrafen, weiß jedenfalls nichts davon ...

Der Leguan in unserem Backyard klettert wieder im Baum herum und ist von unserer Anwesenheit irgendwie genervt, verzieht sich auf die Mauer und klettert in Deckung ... So, jetzt Licht aus! Morgen geht es um vier Uhr früh weiter - nach Valledupar.