23.01.2016

ELDORADO Reiseblog #5 / Guatavita

22.01.2016 / Guatavita - Eldorado ist geschlossen.

Der Zugang zur Laguna de Guatavita ist gesperrt, weil El Niño in den letzten Wochen so viel Hitze und Trockenheit gebracht hat. Unser Zimmervermieter zeigt besorgt auf die umliegenden Berge, die zum Teil mit schwarzverkohlten Wäldern überzogen sind. Viele Nationalparks sind wegen Trockenheit und Brandgefahr gesperrt. / Nun laufen wir durch das beschauliche Guatavita - am See entlang und stehen in einer ausgedienten Stierkampfarena. - Das wäre ein Ort für eine Aufführung, wenn wir mit dem fertigen Stück einmal nach Kolumbien kommen sollten und auf Tour gehen. Die Farben, die merkwürdige Vermischung mit Bildmotiven aus der indigenen Kultur und die erstaunliche Akustik üben einen magischen Sog auf uns aus - wir müssen kurz hier verweilen.


Wir bewohnen in der Hospedaje zu fünft ein kleines Zimmer, der Innenhof des rumpeligen Hauses ist herrlich - ein Ort, dem ich den Namen "Leben" geben würde.
Die Innenräume sind mit Farben aus der ganzen Farbpalette gestrichen und lassen keinen Kontrast aus. In dem kleinen Restaurant San Gabriel, in dem uns ein sympathischer alter Herr Fisch serviert, dominiert ein erstaunliches Rosa, während die Türen ein dunkles Grün haben und alles mit roten Mustern überzogen ist. Dann gibt es eine Tasse mit warmem Rohrzuckerwasser und dazu ein Stück kolumbianischen Käse ... seltsam, aber gut.
Wenn der omnipräsente Fernseher nicht so nerven würde, könnten wir den Abend in dem kleinen Gasthaus noch sehr lang werden lassen.



Ich habe mir bei Fernando und Jonathan ein Buch mitgenommen - "Colombia - The risk is wanting to stay ...". 13 Künstler berichten in Erzählungen aus der Ich-Perspektive ueber Gewalterfahrungen in Kolumbien. Das Projekt wurde von Elkin Calderon angeschoben - weil es merkwürdig erschien, dass die im Land herrschende Gewalt und die so lange schwelenden Konflikte in der Bildenden Kunst Kolumbiens so wenig präsent sind. Andererseits beschreibt sie, dass eine sehr vordergründige Thematisierung der kolumbianischen Kunst auch nicht entsprechen würde. Als Beispiel führt sie das Kunstwerk eines in Bogotá lebenden holländischen Künstlers an, der seine Beine bei einem Autobombenanschlag verlor und ein in der Front von einer Bombe zerrissenes Auto in einer Galerie in Holland austellte. - So etwas würde man in Kolumbien nicht ausstellen, meint sie. Hm, ich habe einige kolumbianische Kunstwerke gesehen - die wird schon sehr deutlich - es wird viel mit Schrift gearbeitet ... Auch die spektakuläre Graffity-Landschaft Bogotás hätte mich eher vermuten lassen, dass sich Kunst hier sehr einmischt, tabulos agiert und direkt auf Tagesgeschehen reagiert (Das heisst nicht, dass ich das unbedingt als die wesentlichste Aufgabe der Kunst sehen würde.) - Ist es die breite gesellschaftliche Ohnmacht, die auch die Kunstszene ergriffen hat?
Dem Buch ist eine ziemlich traurige Schöpfungsgeschichte vorangestellt:
"When God created the world the time arrived to create Colombia and he gave it the most fertile land to produce all kinds of food, coffee, fruits and vegetables, gave two seas with warm water and abundance of fish, glaciers, volcanoes, jungles with marvelous trees, flowers and wildlife, precious gems, petroleum and gold. When he was finished St.Peter asked him: God, why did you  create Colombia so perfectly, and give it so much, while other countries have been so little? And God replied: Peter, you still don not know the kind of mischievous rascals that I will be putting to live here."

Ich frage mich, ob Kolumbien, dass bezeichnenderweise den Namen des Entdeckers trägt, dazu verdammt ist, die Gewalt, mit der die Eroberung stattfand, bis in unsere Tage zu tragen, zu ertragen ... im ständigen Wandel zwar, die Parteien haben gewechselt, zum Gold kamen Kokain, Öl und Kohle hinzu ... aber die Praxis ist geblieben.



Auf dem Weg zum Markt gestern prangte der Schriftzug PAZ AHORA ES ... Das wäre dem geschundenen Land, das ja eigentlich ein so reiches ist zu wünschen ...