05.03.2016

ELDORADO Reiseblog#19 / Calí

02.03.2016 / Rückblick Calí (20.Februar)

Jule hatte während unserer Reise die ganze Zeit mit Angelica aus Calkí Kontakt gehalten, die bei unserem Workshop in Bogotá dabei war. Sie arbeitet mit einer Theatercompagnie in Calí und hat uns eingeladen, sie zu besuchen.
Wir verabreden uns zum Mittag und dann für den Abend zu einer Probe der Theatergruppe. - Treffpunkt ist die Bar Baco und es wird nich recht klar, wann eigentlich das Theater beginnt, was inszeniert iat, und was hier ohnehin passiert. Die Bar wird betrieben von zwei alten Herren, Luis und Alirio, sie bieten Cerveza an und zeigen mir Bilder an der Wanf, auf denen ein altes Calí zu sehen ist, unter anderem das Gebäude Alférez Real, das tags zuvor in der Theateraufführung im Teatro La Mascara die "Hauptrolle" spielte, zudem sind etliche Stierkampfbilder zu sehen. 


Der Chef der Theatergruppe verweist uns auf das eine oder andere Bild, stellt uns eher beiläufig die alten Herren vor und bittet uns noch um etwas Geduld, bevor es losgeht, alles ist irgendwie merkwürdig, auch geheimnivoll, es läuft Musik aus dem Cali der Fünfziger, hinter dem Tresen ist die kapitale Plattensammlung zu sehen. Wenn man mal aufs Klo will, wird herumgedruckst, und im Vorraum der Toilette sitzen fünf Menschen an spärlich beleuchteten Schreibmaschinen ... Irgendwann holt uns der Theaterchef endlich an einen Tisch zusammen, die Leute aus dem Hinterzimmer verlassen unterdessen das Lokal; er packt ein Domino-Spiel auf den Tisch ... erzählt kurz, dass es an diesem Abend um Erinnerungen, um Kindheit und die Vergangenheit in diesem Teil der Stadt geht. Er hat die Kneipe als Ausgangspunkt gewählt, weil hier, wo jetzt die Hauptverkehrsstrasse entlang läuft, früher einmal das Umland Calís begann - Fincas und Landschaft ...und weil die beiden alten Herren lebendige Geschichte sind und wirklich eine Menge zu erzählen haben, wenn es um Erinnerungen und Vergangenheit geht. (Später erzählt uns Yamile, dass beide einmal Stierkämpfer waren. Beide haben ihr ihre Finca angeboten, wenn sie einen der Herren erwählen würde, um mit ihm den Lebensabend zu verbringen. Sie konkurrierten beide miteinander und der eine von beiden trumpft damit auf, dass er ja zwei Fincas besitzt - Yamile muss sich entscheiden ... es wurde gelost ... Aber offensichtlich ist Yamile mit uns weiter gefahren ... und die Fincas werden wohl noch anderen Damen angeboten werden ...)
Dann spielten wir Domino, schließlich "verstecktes" Domino, eine Erfindung unseres Gastgebers, bei dem die vorherigen Steine verdeckt werden - wir stellen uns vor, wer die unteren Steine sind, wenn wir die jeweils neuen sind. So gleiten wir vom Spiel langsam ins Thema Erinnerungen. Er bittet uns in den ominösen Raum mit den Schreibmaschinen, die nun unbesetzt sind. Jeder von uns schreibt einen Brief an eine Person der Vergangenheit, um sie etwas wichtiges zu fragen ....
Als die Briefe fertig sind, schickt er uns auf die Reise - wir folgen einem Schulmädchen über die Brücke, sie läßt uns kurz an ihren Kopfhörern lauschen und tanzt uns voraus, bis sie plötzlich wegflitzt und wir, ihr folgend, bei einer Strassenverkäuferin mit einem Sprachfehler landen. Anscheinend verkauft sie Telefonminuten, aber uns füllt sie Tüten mit den Süßigkeiten  ihrer Kindheit und weiß zu jeder eine Geschichte zu erzählen. Neben ihr sitzt auf einem Stuhl ein Mann, der keine Miene verzieht, ihr Vater - er nickt uns kurz zu. Dann bekommen wir einen Schlüssel und eine Adresse, und folgen einem Jungen mit Fahrrad. Wir kommen an ein Haus - finden Schatzkästchen, zu denen unsere Schlüssel passen - Fotos. Es gibt die Geschichte eines Kleides, ein Kind, das seiner Mutter immer dazwischenfunkt, dann ein Spieltisch - irgendwas zwischen Puppenfriedhof und Eisenbahnplatte, es gab Omas Kartoffelsuppe ... es ging mit verbundenen Augen durch unsicheres Terrain, nur unsere Schritte im trockenen Laub waren zu hören - wir standen vor Gräbern und am Ende feierten wir Geburtstag ....