01.03.2012

Der Traumschlüssel auf Reisen

Unsere Theaterreise nach Bildern des belgischen Surrealisten René Magritte DER TRAUMSCHLÜSSEL ist im März in Dresden, beim Festival Starke Stücke Rhein-Main und in Bonn zu sehen.

Foto: JSN media-art

04./05.03.2012 um 16.00 Uhr / 10.00 Uhr
tjg. theater junge generation
13.03.2012 um 11.00 Uhr und 16.00 Uhr
Bürgerhaus Dreieich-Sprendlingen
18./19.03.2012 um 16.00 Uhr 
Brotfabrik Bonn

Ein Himmel zum Trinken.
Magritte als Theater: Die gelungene Uraufführung „Der Traumschlüssel“ am tjg.
Eine Hand erscheint über einem weißen Riesen-Ei. Die Hand erzeugt ein pochendes Geräusch, die Finger spreizen sich. Ein Küken will schlüpfen und seine Flügel trocknen. Das Ei wird umgedreht: ein Mann  hockt darin. Er steckt den Kopf heraus. Nein, er ist sich nicht sicher, was er von der Welt halten soll. Dann wagt er die ersten Schritte, stößt an und stolpert, aber neugierig geht er weiter …
So beginnt die neue Inszenierung am Theater Junge Generation (tjg). „Der Traumschlüssel“ heißt sie und im Untertitel „Eine Theaterreise mit Bildern von René Magritte“. Konzept und Spiel stammen von Heiki Ikkola und Sabine Köhler, die schon früher für das tjg inszeniert haben und dem einen oder anderen vom Dresdner Schaubuden-Sommer her bekannt sein dürften. Hier kooperieren sie als Compagnie Freaks und Fremde, die sich den „Perspektivwechsel“ und die „Neuordnung von Denk- und Verhaltensweisen“ ins Programm geschrieben hat. Das wollte auch René Magritte – der Meister des Phantastischen, Absurden und hin und wieder Erschreckenden, der 1967 in Brüssel starb und den Surrealismus mit erfand. Die Bilder dieses Malers stehen im Mittelpunkt und bilden allen Inhalt. Ja, sie werden von den erfahrenen Puppen- und Schauspielern quasi für die Bühne neu erfunden.
Das Ei, der Himmel, die Wolken, der Regen, das Licht – alle diese Metaphern aus Magrittes Bildern werden in Schauspiel übersetzt. Der Mann, der gerade aus dem Ei geschlüpft ist, öffnet seinen Koffer und findet darin Hemd, Hose, Mantel und den unverwechselbaren Bowlerhut. Jenen runden Hut, den Magritte selbst trug und so oft malte. Das Gemälde vom Mann mit dem Apfel vor dem Gesicht wird übersetzt in den Apfel, der auf urkomische Art im Mund des Schauspielers stecken bleibt. Eine Flasche ist himmelblau, mit weißen Wolken bemalt – ans Ohr gehalten, kann man den Wind hören und ans Auge gehalten, wie durch ein Fernrohr sehen.
Das, was Magritte mit seinen Bildern gemacht hat – Innen und Außen, Groß und Klein, Hell und Dunkel usw. zu vertauschen – das stellen Heiki Ikkola und Sabine Köhler mit Körperspiel, Pantomime, dem gesprochenen Wort, animierten Gegenständen, assoziativen Geräuschen, rasch wechselnder Musik, all den Möglichkeiten von Requisite und Bühnenbild, dem Wechselspiel der Beleuchtung dar. Sie nehmen quasi die anderen Mittel für dasselbe Ziel: Eine Erfrischungskur für unsere Vorstellungskraft. Das ist ganz außergewöhnlich, großartig, erregend. Es ist ein warmer Regen von Einladungen, mit der Phantasie spazieren zu gehen. Magritte würde sich, ohne Zweifel, freuen.
„Es gibt Leute, die erklärbare Mysterien mögen, ich dagegen bevorzuge die unerklärlichen“, soll der Maler gesagt haben. Ein Fisch auf Beinen läuft über die Szene und setzt sich neben den Mann mit dem Melonenhut. Einmal wird es finster, dann dröhnt ein Gewitter.
Möglich, dass diese anspruchsvolle Inszenierung nicht jedermanns Geschmack ist, denn sie erzählt keine Geschichte. Doch große Kunst ist sie allemal. Und durchaus von Kindern ab vier Jahre zu verstehen, denn Magritte selbst hat immer wieder an die Erinnerungen an seine Kindheit angeknüpft: Regen und Schirm, Huhn und Ei, Apfel und Baby. Das kennt jeder. Und jeder weiß, wie gut ein weichgekochtes Ei schmeckt. Noch dazu, wenn es spricht: Iss mich!
(Dresdner Neueste Nachrichten, Andrea Rook)